Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung: Interview mit Hermann Hohenberger

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Interview mit Hermann Hohenberger von Zukunft Fichtelgebirge

Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung: Interview mit Hermann Hohenberger

Hermann Hohenberger, Jahrgang 1961, wuchs in Schwarzenbach/Saale auf. Er begann seine Karriere bei Radio Euroherz und war später Studioleiter bei Radio Plassenburg in Kulmbach.

 

Anschließend arbeitete er für den Telefonbuch Verlag Hans Müller, Nürnberg in verschiedenen leitenden Positionen, z.B.: als Bereichsleiter bei R.A.D.I.O.S. (Software für Werbezeiten-Disposition und EDV-Abrechnung für Medienunternehmen), später als Geschäftsführer des neu gegründeten Radio Dresden und dessen Senderkette sowie als Beauftragter für Neue Plattformen für die Müller-Unternehmensfamilie (Schwerpunkt: Merger und Acquisition).

 

Des vielen Rumreisens ein wenig müde zog es Hermann Hohenberger zurück in die Heimatregion. Seit April 2017 ist er Geschäftsführer des Digitalen Gründerzentrums Einstein1 in Hof. Im Interview mit ZUKUNFT Fichtelgebirge erzählt er über die Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung in Bayern und Hochfranken.

 

 

ZUKUNFT Fichtelgebirge: Wie steht Bayern bei der Digitalisierung im deutschlandweiten Vergleich da?

 

Hermann Hohenberger: Ich glaube, dass Bayern grundsätzlich sehr gut aufgestellt ist. Man muss die Situation dabei differenziert betrachten: Den Start-up-Hype, den wir zum Beispiel in Berlin mit den ganzen E-Commerce-Plattformen und mehr erleben, gibt es hier nicht so ausgeprägt. Das hat mit der bayerischen Industriekultur zu tun. Dennoch gibt es gerade auch in der Industrie sehr interessante Projekte. Nur ein Beispiel: Wartungsvorhersagen für Maschinen. Hier werden Technologien entwickelt, die einem Betrieb im Vorhinein sagen, wann ein Teil der Maschine ersetzt werden muss. Wir haben die Fähigkeit, Sachen gut und gründlich zu machen. Das ist eine hohe Qualität, die sich auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung auszahlen wird.

 

 

ZUKUNFT Fichtelgebirge: Was müsste sich deutlich weiterentwickeln?

 

Hermann Hohenberger: Bei der Anpassung an Märkte, auch beim Einsatz von Robotik, sind uns andere Nationen voraus. Ich denke aber, dass wir den Rückstand im industriellen Bereich auf jeden Fall aufholen können. Tatsächliche Defizite haben wir bei der Breitbandversorgung. Wobei es nicht an Geld, guten Absichten und der Technik mangelt, sondern oft eher an der Logistik. Es gibt zur Zeit nicht genug Firmen, die schnell Glasfaserkabel verbauen können. Bevor wir bei Digitalisierung nur auf die Industrie schauen, sollten wir jedoch auch die Anforderungen an die Verwaltung nicht außer Acht lassen. Hier besteht erheblicher Nachholbedarf, sowohl was das Tempo anbelangt als auch das grundsätzliche Verständnis der Prozesse. Eine solide technische Infrastruktur ist ein Erfolgsfaktor, wenn wir wirtschaftlich weiterhin ganz vorne mitspielen wollen. Das war beim Aufbau des Wohlfahrtsstaates nach 1945 so und ist heute nicht anders, wenn es um Digitalisierung geht.

 

 

ZUKUNFT Fichtelgebirge: Sind Sie für eine flächendeckende Breitbandversorgung oder würden Ihnen 95 Prozent Abdeckung reichen?

 

Hermann Hohenberger: Wir vom Gründerzentrum sagen: Eine Aufgabe zu erledigen, ist besser als unendliches Perfektionieren. Wir müssen nicht jeden Winkel erreichen. Aber wir müssen schnell wenigstens auf 90 bis 95 Prozent kommen.

 

 

ZUKUNFT Fichtelgebirge: Welche Chancen bietet die Digitalisierung für einen ländlichen Raum wie das Fichtelgebirge?

 

Hermann Hohenberger: Großartige! Daher ist gerade hier schnelles Internet so wichtig. Das Land braucht eine gute Anbindung an große Firmen. Mir fällt dazu das Beispiel „Accenture“ ein. Das ist eine weltweit agierende Technologie- und Outsourcingfirma, deren Mitarbeiter unter anderem Motorsteuerungen für die Automobilindustrie programmieren. „Accenture“ baut Servicecenter in Hof und Jena aus, damit Menschen von dort aus als Lohnprogrammierer für Konzerne arbeiten können, die ganz woanders sitzen, zum Beispiel in München, wo es extrem teuer wäre, für diese Mitarbeiter eigene Büros anzumieten.

 

 

ZUKUNFT Fichtelgebirge: Sollte sich die Region in Sachen Digitalisierung spezialisieren, zum Beispiel in Richtung Maschinenbau und Robotik, oder besser breit aufstellen?

 

Hermann Hohenberger: Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Wir haben jedoch alle gelernt, dass eine Abhängigkeit von einem Wirtschaftszweig gefährlich ist. Und gerade im Bereich Automotive wird es in den kommenden 10 Jahren erhebliche Umwälzungen geben. Die Anzahl neu verkaufter Autos wird vermutlich deutlich zurückgehen, vor allem in Städten, weil das Car-Sharing zunimmt. Daher ist Diversifizierung wichtig. Das hat bei vielen Firmen in der Region bereits begonnen. Hersteller hochpräziser Maschinenteile für die Autoindustrie sind zum Beispiel auch in die Medizintechnik vorgedrungen. Diese Stärken, kombiniert mit intelligenten Geräten, bilden einen großen Zukunftsmarkt.

 

 

ZUKUNFT Fichtelgebirge: Bei der Digitalisierung schwingt auch die Sorge mit, dass Arbeit im großen Stil durch künstliche Intelligenz ersetzt wird. Wie ist Ihre Einschätzung dazu?

 

Hermann Hohenberger: Vermutlich werden wir in der Arbeitswelt noch ein Tal durchlaufen. Die Digitalisierung wirft ja nicht nur deshalb Probleme auf, weil sie einen großen Teil unseres Lebens verändert, sondern auch weil die Veränderungen immer schneller ablaufen. Wir können es uns aber nicht leisten, dass zu viele Menschen abgehängt werden, aus Wettbewerbsgründen nicht und sozial ebenfalls nicht. Da muss ein Umdenken stattfinden. Aber dass künstliche Intelligenz Menschen massenhaft überflüssig macht, diese apokalyptische Befürchtung teile ich wirklich nicht. Im Gegenteil: Bisher haben alle industriellen Revolutionen dazu geführt, dass es der Bevölkerung am Ende insgesamt besser ging.

 

 

ZUKUNFT Fichtelgebirge: Negative Auswirkungen lassen sich nicht übersehen. Man denke nur an den digitalen Monopolkapitalismus der großen US-Konzerne und die Manipulation der öffentlichen Meinung durch Fake News.

 

Hermann Hohenberger: Ja. Umso wichtiger ist es, dass wir daraus lernen und die Kontrollvorkehrungen verbessern. Deswegen braucht es unbedingt Europa. Weil Europa am ehesten einen gemäßigten Rahmen vertritt und wir Europäer auf der Basis unserer Werte und unserer Diskussionskultur sehr überlegt vorgehen.

 

 

ZUKUNFT Fichtelgebirge: Welche Chancen bietet Digitalisierung im Alltag?

 

Hermann Hohenberger: Mehr Lebensqualität! Beispiel: autonomes Fahren. Man setzt sich ins Auto, telefoniert in Ruhe mit jemanden, kann die Zeitung lesen oder aus dem Fenster schauen und muss keine Angst davor haben, dass einem ein Wahnsinniger ins Auto fährt. Die Vorteile ziehen sich durch viele Bereiche. Beispiel Navigation: Ich kann mich in Zukunft bei Radtouren mit Hilfe eines Sprachassistenten lotsen lassen, etwa zum nächsten Restaurant und wenn ich möchte von unterwegs gleich einen Tisch reservieren lassen.

 

 

ZUKUNFT Fichtelgebirge: Das wäre doch eine gute Aussicht: intelligent programmierte Geräte als Assistenten des Alltags.

 

Hermann Hohenberger: Ja, so wird es kommen. Deswegen ist es besser, dass wir Teil der Entwicklung werden und versuchen, diese zu beeinflussen, statt uns dagegen zu stellen. Das bringt uns nicht weiter.

 

Das Interview führte Oliver van Essenberg.

 

Die Online-Version des Magazins ZUKUNFT Fichtelgebirge #5 2019/2020 finden Sie hier: http://bit.ly/2XyITfc

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Niko Emran

Hi, ich bin Niko. Als Netzwerkmanager im Einstein1 bin ich für das Online Marketing und die Beratung und Betreuung von Gründern und Startups zuständig.

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