Hochfrankens Söhne brachten den Buchdruck voran
Das Jahr 2017 stand ganz im Zeichen einer wegweisenden Revolution: Vor 500 Jahren hatte ein bis dato recht unscheinbarer Mönch namens Martin Luther 95 Thesen an die Tür der Kirche zu Wittenberg genagelt (jedenfalls nimmt man dies bis heute an) und damit die „Reformation“ begründet. Bei einer Betrachtung jener Epochengrenze sollte man den Blick jedoch nicht allein auf die Auswirkungen für die Kirche richten, sondern im Hinterkopf behalten, dass Luther mehr tat, als die allzu weltmachtpolitische Denkweise des Vatikan zu kritisieren: Er proklamierte die „Freiheit eines Christenmenschen“, forderte das Abendmahl in beiderlei Gestalt und – mit den weitreichendsten Folgen – predigte in der Sprache des Volkes. Innerhalb von nur vier Monaten hatte er dafür das Neue Testament übertragen, zwölf Jahre sollte schließlich die Übersetzung des Alten Testaments dauern, mit der er eben jene Sprache prägte, die wir bis heute als „Hochdeutsch“ kennen.
Problematisch bei einer solch personifizierten Betrachtung, die stets das Wirken eines einzelnen „Großen“ in den Mittelpunkt rückt, ist, dass die Zusammenwirkung vieler einzelner Zeitbegebenheiten, die die Entwicklung unterstützten, mehr und mehr vergessen wird. So wäre auch Luthers Einfluss bei Weitem nicht derart tiefgreifend gewesen, wenn er nicht auf eine der bahnbrechendsten Neuerungen seiner Zeit hätte zurückgreifen können: Den Buchdruck. Direkt zu Beginn sei darauf verwiesen, dass dieser nicht – wie oftmals gemutmaßt – von Gutenberg „erfunden“ worden ist. Schon seit dem 9. Jahrhundert hatte man im asiatischen Raum mithilfe von Druckplatten Texte vervielfältigt, doch entstand dabei das Problem, dass der Prozess aufgrund der einzelnen Anfertigung der Vorlagen relativ viel Zeit und Material in Anspruch nahm. Gutenbergs Idee, die er Mitte des 15. Jahrhunderts der Öffentlichkeit vorstellte, war es schließlich, bewegliche metallene Lettern einzusetzen, die man je nach Bedarf zu großen Druckmatrizen zusammenfügte. Dadurch konnten die Herstellungskosten gesenkt und Bücher für eine breitere Käuferschicht verfügbar gemacht werden. Nach anfänglich verhaltenen Reaktionen verbreitete sich die neue Technik derart rasant, dass sie vollends zurecht als wegweisende Entwicklung für Europas Schritt in die Neuzeit gesehen werden kann.
Gutenberg selbst hatte, wie viele große Denker, nicht allzu viel von seiner Arbeit, sondern war ganz im Gegenteil oftmals auf finanzielle Unterstützung angewiesen, um seine Werkstatt weiter betreiben zu können. Nachdem er um 1468 verstorben war, wurde die Einrichtung geschlossen und auch die dort tätigen Gesellen wanderten aus. Dazu zählte (höchstwahrscheinlich) auch der aus Wunsiedel stammende Andreas Frißner, Sohn eines dortigen Ratsherrn und später Student der Theologie in Leipzig. Er kam im Rahmen des Studiums mit der Drucktechnik in Kontakt und eignete sich, während er seinen Magister in den Freien Künste ablegte, derart fundiertes Wissen an, dass er kurz nach Abschluss der Ausbildung in die berühmte Nürnberger Druckerei Sensenschmidt abberufen wurde und dort wie wir es heute nennen würden Geschäftsmodellentwicklung betrieb. Nachdem er gemeinsam mit Johann Sensenschmidt einige bedeutende Werke herausgebracht hatte, gründete er 1478 eine eigene Druckerei, die er jedoch nur knapp ein Jahr später schloss, nachdem er einen Ruf als Professor der Theologie an die Universität in Leipzig erhalten hatte. Wenngleich es demnach ein Sohn unserer Region war, der maßgeblich an der Verbreitung und Verbesserung der Gutenberg-Technik mitwirkte, gab es erst etwas später auch bei uns entsprechende Manufakturen: 1552 wurde die erste von Thomas Retsch und Willibald Haberkle in Kulmbach eingerichtet, doch fiel sie kurz danach der Zerstörung der Stadt durch die Bundstände zum Opfer.
Der nächste Versuch, eine Druckerei einzurichten, ging auf den Hofer General-Superintendeten Dr. Streitberger zurück, der selbst recht aktiv publizierte, seine Werke jedoch meist im Ausland (damit waren damals u.a. Coburg und Zwickau gemeint) drucken lassen musste. In Matthäus Pfeilschmidt, einem 31-Jährigen Wunsiedler, der verschiedene höhere Schulen in seiner Vaterstadt, Naumburg, Erfurt und Oppenheim besucht hatte, fand er schließlich einen passenden Unterstützer. Pfeilschmidt hatte die Buchdruckerkunst fünf Jahre lang in Mainz erlernt und war anschließend auf Wanderschaft gegangen, ehe er am 15. April 1559 das Privilegium zu Errichtung einer eigenen Druckerei in Hof erhielt. Darüber hinaus sicherte ihm Markgraf Georg Friedrich zu, fortan keine andere Werkstatt im Fürstentum Bayreuth zu dulden, was die Grundlage für ein recht mächtiges Monopol darstellte, an das sich verschiedene Entwicklungen anschlossen: So erhielt Isaak Soldener, Probierer in einem Bergwerk nahe Goldkronach, im Oktober 1567 die Erlaubnis, die erste Papiermühle Nordoberfrankens unterhalb des Hofer Siechhauses an der Saale zu betreiben, um mit dem produzierten Papier die Hofer Druckerei zu unterstützen.
1604 starb der umtriebige Geist Matthäus Pfeilschmidt, woraufhin sein Sohn gleichen Namens die Zügel in die Hand nahm und das Geschick der Druckerei bis 1633 steuerte, ehe er ein Opfer der Ausschweifungen des Dreißigjährigen Krieges wurde.
Erst 1642 übernahm ein neuer, diesmal aus Leipzig stammender, Drucker die Geschäfte in Hof: Johann Albrecht Müntzel gehörte zu den führenden Denkern der Zunft. Der daraus abgeleitete Name „Mintzel“ ist bis heute jedem Hofer ein Begriff – immerhin galt die bis 2013 existente Firma Mintzel-Druck als älteste Druckerei Deutschlands, die über Generationen hinweg die wissenschaftliche Entwicklung und Forschung durch die Veröffentlichung wegweisender Texte vorantrieb und damit einen großen Anteil daran hatte, aus dem Fürstentum Bayreuth im 18. Jahrhundert ein Zentrum wissenschaftlich-publizistischer Forschung zu machen.
Mehr als passend erscheint in der Tradition dieser Entwicklung auch der neue Slogan der Region Fichtelgebirge in Hochfranken, die sich – wieder – als Freiraum für Macher postuliert.