Das Freemium-Modell: ‚Kostenlos‘ zum Geschäftserfolg?
Das Geschäftsmodell „Freemium“ wurde von Risikoinvestor Fred Wilson konzipiert und erlebte seitdem einen regelrechten Boom in der Startup-Szene. Bereits 2009 veröffentlichte „Wired“-Chefredateur Chris Anderson das Buch „Free – Kostenlos: Geschäftsmodelle für die Herausforderungen des Internets“, in dem er die wachsende Popularität des Geschäftsmodells beschrieb. Inzwischen gilt Freemium insbesondere bei Tech-Startups fast als Allheilmittel. Darin liegt allerdings eine Gefahr, denn: Freemium ist nicht für jedes Business geeignet.
Was bedeutet Freemium eigentlich?
Freemium setzt sich aus den Wörtern „Free“ (kostenlos) und „Premium“ (frei übersetzt: kostenpflichtig) zusammen. Es handelt sich also um ein Geschäftsmodell, das teilweise umsonst genutzt werden kann. Wer allerdings die vollen Leistungen in Anspruch nehmen möchte, muss bezahlen.
Bei Wilson klingt dies so: „Du sollst deinen Dienst gratis anbieten, möglicherweise mit Werbeeinblendungen. Auf effiziente Weise sollst du zahlreiche Kunden gewinnen. Anschließend ist es ratsam, deinem Kundenstamm gegen ein Entgelt Zusatzleistungen oder eine erweiterte Version des Dienstes anzubieten.“ Klingt ein bisschen wie eine Predigt…im Kern hat er aber vollkommen recht.
Die Idee hinter dem Freemium-Modell lautet also, dass möglichst viele Kunden durch die kostenlose Nutzung eines Angebots davon überzeugt werden sollen, für Erweiterungen bzw. Premium-Services zu bezahlen.
Anderson erläutert dies in folgender Weise: „Freemium-Angebote können durch ihre niedrige Eintrittshürde schnell großes Publikum anziehen. Der jeweilige Dienst kann zudem leichter geteilt werden, wodurch eine positive Mundpropaganda entsteht, die weitere Kunden anzieht.“
Die folgenden Leistungen werden in der Regel bei Freemium-Modellen für die kostenlosen Nutzer eingeschränkt:
- Funktionen: Nur wer zahlt, kann bspw. wirklich alles nutzen, was eine Software zu bieten hat.
- Zeit: Nach einer kostenlosen Testphase muss eine Lizenz erworben werden, andernfalls wird das Produkt unbrauchbar.
- Speicherplatz: Bspw. steht in einem Clouddienst nur ein bestimmtes Volumen kostenlos zur Verfügung. Für mehr muss gezahlt werden.
- Nutzerbeschränkung: Nur X Benutzer dürfen den Dienst kostenlos nutzen. Für zusätzliche User musst du zahlen.
- Zielgruppen-Beschränkung: Nur Privatpersonen oder kleine Unternehmen dürfen das Angebot kostenlos nutzen. Ab einer bestimmten Größe muss ein großes Corporate bezahlen.
- Rollenbeschränkung: In der kostenlosen Version einer Software kann die Administratoren-Rolle bspw. nicht eingenommen werden.
Der E-Mail-Marketing Dienstleister MailChimp treibt das Freemium-Modell auf die Spitze: mit seinem ‚Forever Free Plan‘ versucht der Anbieter, die Kundenbindung zu erhöhen und im Laufe der Zeit mehr User dazu zu bringen, für den Premium-Service zu bezahlen. Mit Erfolg!
Freemium-Geschäftsmodelle: Einige erfolgreiche Beispiele
1. Software
Der Software-Bereich (im breiten Sinne) ist der primäre Markt für Freemium-Dienste. Tech-Startups weltweit nutzen gerne das Freemium-Modell, um Nutzer in ihre Sphäre zu ziehen. Der Cloud-Dienst Dropbox begrenzt in der kostenlosen Version z. B. das Speichervolumen und die Zahl der Endgeräte. Der Musik-Dienst Spotify lässt in der kostenlosen Variante Werbungen laufen. Zudem sind die Möglichkeiten, Playlists zu erstellen, eingeschränkt.
Das soziale Netzwerk Xing schränkt Funktionen vor allem im Bereich der Vernetzung ein. Einen ähnlichen Weg geht z. B. auch Evernote. Microsoft setzt anderseits bei seinen Office-Diensten auf kostenlose Testphasen. Ein klarer Favorit, wo genau die „Einschränkung“ einsetzen sollte, hat sich bis heute nicht herauskristallisiert.
2. Medien im Internet
Vor allem Zeitungen sind vermehrt dazu übergegangen, auf ihren eigentlich kostenlosen Websites doch wieder bezahlte Inhalte zu offerieren. Spiegel+, BILDplus oder Z+ (Zeit) sind bekannte Beispiele aus Deutschland. Es handelt sich dabie um Abo-Modelle, die sich monatlich kündigen lassen. Nur Abonnenten erhalten dabei Zugriff auf exklusiven Content.
Einen etwas anderen Ansatz verfolgt die Plattform YouTube, die im Laufe der Jahre mit einer Vielzahl von Premium-Angeboten als Zusatz zur kostenfreien Basisversion experimentiert hat, bspw. YouTube Red.
Inzwischen setzt das zu Google gehörende Unternehmen auf „YouTube Premium“ – Werbeeinblendungen werden gegen monatliche Zahlungen entfernt. Videos können auch offline gesehen werden. Zudem lassen sich reine Musik-Playlisten erstellen.
3. Apps und Spiele
Viele Spiele – vor allem im Mobilbereich – sind „Free2Play“. Sie können kostenlos als App heruntergeladen worden. Allerdings gibt es in den Games sog. Mikrotransaktionen, um die spieleigene Premium-Währung zu kaufen oder Funktionen freizuschalten.
Spiele unterscheiden sich so in einem wesentlichen Punkt von den beiden anderen Varianten: In den Medien oder im Software-Bereich sind ganz überwiegend Abo-Modelle vorherrschend. Spiele setzen auf unregelmäßige Zahlungen, bei denen der Kunde selbst bestimmt, wann und wieviel er investiert.
Vor- und Nachteile des Freemium-Modells
Vorteile
Kunden können sich zunächst von der Qualität deines Angebots überzeugen. Außerdem verleiten die kostenlosen Versionen der Produkte eher zum Ausprobieren. Wenn die kostenlose Version es schafft, die Kunden zu überzeugen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Nutzer ab und zu Mikrotransaktionen tätigt oder in den Premium-Tarif upgradet.
Dadurch entsteht auch positive Mundpropaganda (Word-of-Mouth): Überzeugt ein Produkt von Anfang an, also bereits mit seiner kostenlosen Version, neigen Nutzer eher dazu, es ihren Freunden und Bekannten weiterzuempfehlen.
Auch die kostenlosen Angebote lassen sich durch Werbung monetarisieren: In der Regel haben Nutzer eine hohe Toleranz gegenüber Werbung, wenn sie im Gegenzug das Produkt kostenlos nutzen können. Ein Freemium-Service wäre in diesem Fall, gegen eine einmalige Gebühr die Werbung aus der App oder dem Programm zu entfernen.
Nachteile
Gerade im Software-Bereich werden Freemium-Modelle oft von User ausgenutzt. Teilweise kommt es hier auch zur Piraterie der Premium-Versionen. Eine sehr unschöne Situation, mit der sich in der Vergangenheit vermehrt Gründer und Startups im Software-Bereich herumschlagen mussten. Dieser Thematik muss effektiv entgegengewirkt werden, was wiederum Kosten verursacht.
Außerdem müssen bei vielen Produkten die kostenlosen Kunden subventioniert werden, was ausgesprochen teuer werden kann. Gelingt es nicht, die Free-User zu gelegentlichen Käufern oder Premium-Usern zu konvertieren, kann das Vorhaben scheitern.
Zudem muss sich das Angebot erkennbar von der etablierten Konkurrenz absetzen, um eine ausreichend große Aufmerksamkeit zu erreichen. Eine zündende Value Proposition ist hier das Stichwort.
Fazit: Das Freemium-Modell lohnt sich nicht für Nischenangebote
Das Freemium-Modell funktioniert meist nur dann, wenn es eine große Zielgruppe mit einem (im besten Fall bisher ungelösten) Problem anspricht. Ein Nischen-Business oder eine Nischen-App wird es schwer haben, sich mit diesem Modell am Markt durchzusetzen und eine kritische Masse zu erreichen, die am Ende zur Profitabilität beiträgt, denn: Nur ein Bruchteil der Nutzer wechselt vom kostenlosen zum kostenpflichtigen Service.
Entsprechend groß muss also die Nutzerzahl sein. Dies verlangt eine gehörige Anschubinvestition und Expertise im Online-Bereich: Die Kunden müssen durch gezielte Performance-Marketing Maßnahmen angesprochen und zu zahlenden Usern konvertiert werden.
Vielleicht ist es zu Anfang sinnvoller, den Weg zu beschreiten, den Spotify wählte: Als der Musikdienst noch ein kleines Startup war, führte er eigentlich nur ein Premium-Angebot. Es gab lediglich einen kurzen kostenlosen Test-Zeitraum. Spotify hatte Zweifel, ob es im ausreichenden Masse wachsen könnte, um einen dauerhaften Free-Bereich zu etablieren. Diesen führte das Startup nachträglich mit einsetzendem Erfolg ein.
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