Erhard Ackermann: Glanz auf Stein
Eberhard Ackermann: Erfinder des Schleifens und Polierens von Hartgestein.
Wenn man im Fichtelgebirge einen Stein nach einer Kuh wirft, kann es passieren, dass der Stein wertvoller ist, als das Rindvieh.
Mit diesem Satz umschreibt der Volksmund auf süffisante – und dennoch prägnante – Art einen Umstand, der die Geschichte unserer Heimat nachhaltig prägt. Immerhin gilt das Fichtelgebirge bis heute aufgrund der hier vorkommenden Granit- und anderer Gesteinsarten als Eldorado für Bau- und Werkstoffproduzenten, wie es sie nach wie vor in großer Zahl gibt.
Daneben jedoch verdient auch der Menschenschlag jenes „Gebirglers“, also die hier lebenden Personen, besondere Aufmerksamkeit: Immerhin hat er sich, was wiederum eng mit dem granitenen Untergrund und der daher nur eingeschränkt möglichen Landwirtschaft zusammenhängt, auf verschiedene Gewerke spezialisiert, deren Ausübung er im Laufe seiner Geschichte zur Perfektion brachte. Die Textilindustrie des Münchberger und Hofer Landes ist dabei ebenso zu nennen, wie die Porzellanproduktion im Selber Raum.
Bis heute gilt das Fichtelgebirge, ausgehend von seiner Fläche, als am dichtesten industrialisierte Region Deutschlands, was die Frage nach den Grundzügen jenes beeindruckenden Status Quo aufkommen lässt.
Fakt ist, dass es Menschen waren, die das Beste aus ihrer Situation zu machen verstanden und damit an sich einfache Handwerksberufe in immer neue Höhen katapultierten. So geschah es auch beim Granit, der schon seit der frühesten Besiedlung als Baustoff für allerlei Burganlagen Verwendung fand. Eindrucksvoll erhalten haben sich beispielsweise die Westburg auf dem Waldstein oder auch die mit dem Berg namensgleiche Veste Epprechtstein. Es verwundert daher wenig, dass sich bereits im Mittelalter ein gut funktionierendes Handwerkswesen herausgebildet hatte, das für den heimischen Markt produzierte. Genau darin lag jedoch zugleich das größte Problem der Steinhauer: Aufgrund miserabler Transportwege und zugleich erschwert durch die Kleinteiligkeit des Verbundes, aus dem sich später ein Deutsches Kaiserreich entwickeln sollte, war man nicht dazu in der Lage, die Betriebe aus der regionalen Subsistenz zur befördern.
Von einer „Marktöffnung“, die meist mit dem Ausbau von Handelsverbindungen nach Sachsen und teils gar in den Mittelmeerraum einherging, wie es beim Textil der Fall gewesen ist, war man demnach weit entfernt. Tatsächlich war es schließlich der Aufschwung der umliegenden Industrie, die auch dem Granitabbau in neue Höhen verhalf: Durch die fortschreitende Mechanisierung des Fürstentums Bayreuth, das sich seit 1792 in den Händen der preußischen Verwandtschaft unserer Zollern-Markgrafen befand, war der Bedarf an Rohstoffen enorm gestiegen. Insbesondere durch die kluge Förderung des Manufakturwesens durch den großen Reformer Karl August von Hardenberg, der aus Preußen wenig später mit den hier erprobten Winkelzügen den „ersten modernen Staat“ erschaffen sollte, hatte man in der Textilproduktion den bedeutenden Schritt vom heimischen Handwerk zur fabrikmäßigen Produktion gemeistert. Die neuerliche Stellung der Region als „Textilzentrum“ des späteren Kaiserreichs wusste auch der seit 1810 über die Fürstentümer regierende, bayerische Monarch zu nutzen.
Ludwig I. ist in diesem Zusammenhang nicht hoch genug zu schätzen: Nicht allein war er es, der Bayern eine gemeinsame Kultur erschuf; auf seine Initiative geht zudem jenes berühmte „Goldene Zeitalter“ zurück, auf das manche bis heute wehmütig zurückblicken. Immerhin gelang ihm durch den Bau des Main-Donau-Kanals und das Großprojekt der „Ludwigsbahn“ zwischen Nürnberg und Fürth der Schritt in die Hochphase der Industrialisierung. Kurz nachdem der berühmte Adler anno 1835 in Fürth eingedampft war, hatte sich die Regierung dazu entschlossen, die neuartige „Eisenbahn“ für die Durchquerung des gesamten Königreichs zu nutzen. Die Idee der „Süd-Nord-Bahn“ war geboren; einer Verbindungsstrecke von Lindau bis Hof, die über Sachsen auch den Anschluss an Böhmen herstellen und damit den Zugang zur bitter benötigten Kohle sichern sollte. Erst durch diese Trasse wurde der Einsatz von Dampfmaschinen möglich, in deren gierigen Mündern man die aus den östlichen Anrainerstaaten billig importierten Rohstoffe postwendend in Energie verwandelte.
Ehe jedoch 1848 der erste Zug auf der neuen Strecke rollen konnte, mussten Arbeiten durchgeführt werden, die alle bis dahin projektierten Bauangelegenheiten in den Schatten stellten: Allein die Schiefe Ebene gilt bis heute als Meisterwerk neuzeitlicher Ingenieurskunst, wobei man bei aller Leistung der Planer nicht jene vergessen sollte, die die majestätischen Skizzen in eindrucksvolle Tat umsetzten. Für die Ebene beispielsweise zeichnete der Weißenstädter Betrieb des Erhard Ackermann verantwortlich, während sich andere Firmen auf die Lieferung der granitenen Schwellenunterlagen konzentriert hatten. Damit begann, leicht verzögert, auch in der Steinverarbeitung die Industrialisierung, die schon bald erste Höhepunkte hervorbrachte: Ausgangspunkt dafür war der gesellschaftliche Wandel, der sich im Bugwasser der Hochkonjunktur einstellte – immerhin suchte das neue, kapitalstarke Bürgertum nach möglichst vielfältigen Möglichkeiten, um den eigenen Status auf eindrucksvolle Art zur Schau stellen zu können. Zu den Kostbarkeiten, deren man sich dafür bediente, gehörte auch der mächtige Granit, den man jedoch keineswegs in plumper Baustoff-Form an den Häusern anbringen wollte. Vielmehr sehnte man sich danach, die Schattierungen des Steins und damit seine natürliche Schönheit auf angemessene Weise herauszuarbeiten, wofür schließlich eben jener durch den Eisenbahnbau gleichfalls zu Geld gekommene Erhard Ackermann verantwortlich zeichnete.
Am 8. August 1813 in Weißenstadt geboren, schloss er zuerst seine Ausbildung zum Mauerer und anschließend die Meisterprüfung zum Bauhandwerker ab, ehe er sich 1840 mit einem eigenen Steinmetzbetrieb in seiner Heimatstadt niederließ. Schon während seiner Walz war er immer wieder auf polierte Marmorobjekte aufmerksam geworden, was ihn dazu verleitete, auch den wohl bekannten Granit entsprechend aufbereiten zu wollen. Wieder in der Region angekommen, machte er sich daran, mittels aufwendiger Versuche, bei denen er von seiner Familie unterstützt wurde, ein geeignetes Politurmittel herzustellen. Die Schwierigkeiten waren dabei mannigfaltig: Nicht allein ist Granit sehr viel härter als Marmor, selbst die einfachsten Grundlagen der Politur wurden vor Ackermann verschlossen, da die alteingesessenen Betriebe darin einen klaren Wettbewerbsvorteil erkannten, den sie nur ungern an den Emporkömmling abzutreten bereit waren. Mitte der 1840er Jahre konnte er schließlich ein funktionierendes Verfahren vorstellen, das er binnen kurzer Zeit im ganzen Königreich bekannt machte.
Immerhin war er nicht allein begnadeter Denker, sondern auch ein gewiefter Geschäftsmann: Durch polierte Plättchen und Anschauungsobjekte zeigte er der aufstrebenden Wirtschaft sein Können, sodass schließlich kein geringerer auf ihn aufmerksam wurde, als König Ludwig I. höchstselbst. Der entsprechende Auftrag kam postwendend: Für die seit 1842 im Bau befindliche Befreiungshalle bei Kehlheim orderte man 72 fünfeinhalb Meter hohe Granitsäulen, die Erhard Ackermann fristgerecht lieferte und damit den Durchbruch schaffte. Aus seinem nach wie vor handwerklich ausgerichteten Betrieb entstand eine erste „Fabrik“, in der Maschinen wirkten, die Ackermann großteils selbst konstruiert hatte. 1867 folgte schließlich ein zweiter Neubau entlang der Eger in Weißenstadt, in dem schon bald 176 Arbeiter Lohn und Brot erwarben. Zeitgleich wuchs der internationale Erfolg des Genius, der sich im heimischen Markt mit allerlei Konkurrenz herumschlagen musste – so konnte er seine Produkte 1873 auf der Weltausstellung präsentieren und brachte damit die Granitindustrie des Fichtelgebirges an eine beeindruckende Position im internationalen Markt. Zeitgleich profitierte man auch von der deutschen Politik: Seit man sich 1871 zum „Deutschen Kaiserreich“ zusammengeschlossen hatte, sprießten Denkmäler, die den lange Zeit schwelenden und nun endlich zur Freiheit gelangten „nationalen Geist“ priesen, überall aus dem Boden, wofür Ackermann und Konsorten passende Fundamente und Sockel im Angebot hatten.
Ackermann selbst starb 1880, doch lebte seine Firma nach ihm noch bedeutender fort, ehe sie schließlich 1919 zusammen mit anderen fünf einflussreichen Unternehmen zur „GRASYMA“ fusionierte, einem beeindruckenden Konglomerat der Granitindustrie, dessen Gewicht durchaus mit Krupp und anderen Betrieben in ähnlichen Branchen vergleichbar ist. Genauso wie diese musste man jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg einsehen, dass die große Zeit vergangen war: Konkurrenz aus Übersee hatte den weltweiten Markt überschwemmt und damit die Granitindustrie in jene Krise gestürzt, unter der Textil und Porzellan ebenso zu leiden hatten.
Umso beeindruckender ist es jedoch, zu sehen, dass die Menschen in der Gegend auch diesen Tiefschlag überwunden haben, weiter arbeiten und die Lebensqualität erhöhen: Nicht allein gibt es nach wie vor spezialisierte Textilbetriebe, die hochwertige Stoffe herstellen – auch Selber Porzellan und seit neuestem Granit aus den heimischen Brüchen finden sich wieder häufiger am Markt. Am Anfang jedoch standen bei allen Betrieben große Denker wie Erhard Ackermann und wagemutige Unternehmer, deren Wirken wir bei allem Streben in neue Höhen nicht vergessen sollten.