Multiplikatorverfahren: mit Multiples zur Startup-Bewertung
Das Multiplikatorverfahren wird von vielen Entscheidern in Unternehmen sowie Financiers als probates Mittel zur Startup-Bewertung genutzt. Allerdings wird dieses Verfahren auf Basis von Multiplikatoren besonders im angelsächsischen Raum bei der Unternehmensbewertung und Bewertung von M&A-Projekten eingesetzt.
Gute Gründe für dich also, die Methode etwas näher kennenzulernen. Wir zeigen dir in diesem Post, was es mit dem Multiplikatorverfahren auf sich hat und wie du nutzen kannst, um dein eigenes Startup zu bewerten.
Das Multiplikatorverfahren im Überblick
Diese Art der Unternehmensbewertung orientiert sich am Markt. Märkte verfügen über ein Preisfindungswissen, das sich in Transaktionspreisen ausdrückt.
Die Multiplikatormethode macht sich dieses Preisfindungswissen bei der Bewertung von Unternehmen und der Startup-Bewertung zu eigen. Dabei kann man den Bewertungsprozess mit drei aufeinanderfolgenden Schritten definieren:
- Schritt 1: Gesucht werden Unternehmen, die mit dem zu bewertenden Unternehmen vergleichbar sind.
- Schritt 2: Von den Vergleichsunternehmen wird ein Quotient aus dem Unternehmenswert und einer weiteren erfolgsrelevanten Größe gebildet wie z. B. Umsatzerlöse.
- Schritt 3: Es kommt zur Übertragung des Verhältniswertes auf das zu bewertende Unternehmen.
Wir werden in einem später folgenden Beispiel die praktische Anwendung des Multiplikatorverfahrens genauer kennenlernen. An dieser Stelle soll es noch etwas mehr um die Multiplikatoren gehen. Von diesen gibt es eine Vielzahl, und sie setzen recht unterschiedliche Größen ins Verhältnis zueinander.
In der Systematik der Multiplikatoren werden die folgenden Basisgrößen unterschieden, die hier jeweils als Gegensatzpaare definiert werden:
- Trading und Transaktion
- Forward und Trailing
- Equity und Entity
- Bestandsgröße und Stromgröße
- Monetäre und nicht monetäre Größe
Aus den systematischen Kategorien lassen sich die jeweiligen Bezugsgrößen ableiten, die ins Verhältnis gesetzt werden: Beispielsweise sind Trading-Multiplikatoren aus dem laufenden Aktienhandel heraus ermittelt. Hingegen referenzieren Transaktions-Multiplikationen auf M&A- oder Kapitalalmarkttransaktionen.
Multiplikatoren und ihre Bezugsgrößen: wann welchen Multiplikator für welches Szenario auswählen?
Sehen wir uns einmal weitere Bezugsgrößen der Multiplikatoren-Kategorien an:
Trailing/Trading
Bei den Trailing und Forward Multiplikatoren geht es um historische Bezüge (Trailing – zum Beispiel Umsatz aus dem vergangenen Geschäftsjahr) und zukunftsgerichtete Bezüge (Forward – zu erwartender Umsatz des laufenden Geschäftsjahres)
Equity/Entity
Die Beziehung zwischen eigenkapitalbezogenen Größen (Equity) und gesamtkapitalbezogenen Größen (Entity) bestimmt die Inbezugsetzung in diesem Feld. Das bedeutet beim Entity die Einbeziehung des Fremdkapitals in die Bewertung.
Bestandsgröße/Stromgröße
Hier stehen sich Bezugsrahmen Bilanzgrößen (Bestandsgröße – etwa Verhältnis Buch- und Kurswert) sowie Cashflow- und Ergebnisgrößen (Stromgröße) gegenüber.
Monetäre/nicht monetäre Größe
Im monetären Bereich spielen die finanziellen Erfolgsgrößen eine Schlüsselrolle (oft der typische Bewertungsrahmen beim Multiplikatorverfahren). Man kann aber nicht monetäre Erfolgsgrößen heranziehen wie etwa die Stärke einer Marke.
Unschwer kannst du bereits aus dieser kurzen Übersicht der Multiplikatoren erkennen, dass hier eine ganz Reihe von Möglichkeiten zur Wahl stehen. Doch wie ist der passende Referenzrahmen auszuwählen?
Auch bei der Wahl eines im jeweiligen Bewertungsverfahren optimalen Referenzrahmens lassen sich im Multiplikatorverfahren verschiedene Faktoren unterscheiden. Sie alle können bei der Wahl eines Multiplikators die entscheidende Rolle spielen:
- Verfügbarkeit von Daten: Welche Daten sind verfügbar? Bspw. sind Trading Daten eher verfügbar als Transaktionsdaten.
- Ermittlung des finanzwirtschaftlichen Risikos: Entsprechen sich der Verschuldungsgrad von Vergleichsunternehmen und dem zu bewertendem Unternehmen? Große Unterschiede sprechen hier eher für eine Entity Bewertung.
- Vorhandensein und die Werthaltigkeit von Analystenschätzungen: Welche Qualität haben Analystenschätzungen? Beim Forward zum Beispiel unverzichtbar.
- Einschätzbarkeit der Profitabilität: Wie lässt sich ein sinnvoller Bewertungskontext herstellen?
- Vorhandensein von Marktstandards: Gibt es in der Branche des zu bewertenden Unternehmens etablierte Standards bei den Multiplikatoren? Das würde eine Bewertung sehr vereinfachen können.
- Einschätzung der Wachstumsaussichten: Wie vergleichbar sind die Wachstumschancen der verglichenen Unternehmen?
Wie lässt sich der Wert eines Unternehmens messen? Insbesondere, wenn es ein Startup ist, das relativ frisch auf dem Markt ist? (Quelle: http://bit.ly/2wkQOjN)
Typische Bewertungsszenarien
Aus den Bezugsrahmen für die Multiplikationen ergeben sich typische Szenarien für die Anwendung der Multiplikatormethode.
- Identische Phase im Produkt- oder Unternehmenslebenszyklus: Vergleichsunternehmen und das zu bewertende Unternehmen befinden sich in einer identischen Phase im Produkt- oder Unternehmenslebenszyklus. Hier vergleicht man einfach das eine Startup mit anderen Startups oder Konkurrenten, die in der gleichen Branche tätig sind oder das gleiche Geschäftsmodell haben.
- Vergleichbare Wachstumsaussichten: hier ist das zu bewertende Unternehmen in der gleichen Branche angesiedelt wie die Vergleichsunternehmen und bedient ein ähnliches Marktsegment mit annäherend gleichen Zielgruppen.
- Vergleichbare Größenkriterien: hier wird etwa ein KMU mit anderen KMUs verglichen.
- Vergleichbare Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten: beispielsweise entwickelt das zu bewertende Unternehmen Arzneimittel und wird mit anderen Pharmaunternehmen verglichen. Noch genauer wird der Vergleich, wenn die Unternehmen in einer ähnlichen Entwicklungssparte angesiedelt sind, beispielsweise alle Blutdrucksenker oder alle Chemotherapeutika entwickeln.
Wenn es um typische Szenarien geht, kann man die Vergleichbarkeit auch nach der Art der geschäftlichen Aktivitäten allgemein ansetzen und bei der Startup-Bewertung Startups mit anderen Startups vergleichen, M&A Unternehmen mit anderen M&A Unternehmen in Beziehung setzen und dabei sogar auch nach Asset Deals und Share Deals zugeordnet bewerten.
Ein Beispiel für die Bewertung mit dem Multiplikatorverfahren
Genug der Theorie und was alles möglich wäre. Sehen wir uns mal ein konkretes Beispiel an. Ein hoch innovatives SaaS-Startup im Bereich Marketing Automation weist einen Umsatz im ersten Tätigkeitsjahr von 1.000.000 Euro mit einem EBIT (Gewinn vor Steuern und Zinsen) von 200.000 Euro aus.
Bei der Ermittlung des Unternehmenswertes mit dem Multiplikatorverfahren könnten nun die Verkaufspreise von tatsächlich verkauften, vergleichbaren Startups herangezogen. Diese Exit-Preise wiederum werden durch eine Gewinnkennzahl wie z. B. den EBIT (Gewinn vor Steuern und Zinsen) geteilt.
Nehmen wir also an, dass drei Konkurrenten unseres SaaS-Startups für einen durchschnittlichen Preis von 50 Mio. Euro über die Ladentheke gewandert sind und einen durchschnittlichen EBIT von 8 Mio. Euro erwirtschafteten. Berechnet wird der Multiplikator also, indem man den Bezugswert Verkaufspreis zum EBIT ins Verhältnis setzt.
Für unser zu bewertendes Startup wird also der Durchschnittsmultiplikator (Multiple) wie folgt ermittelt:
Durchschnittlicher Verkaufspreis (Exit) / durchschnittlicher EBIT = Multiplikator
50.000.000 Euro / 8.000.000 Euro = 6,25
Der Durchschnittsmultiplikator wird dann mit der gewählten Kennzahl des zu bewertenden Unternehmens multipliziert, woraus sich der Unternehmenswert ergibt. Somit ergibt sich eine Bewertung unseres Startups von:
EBIT x Durchschnittsmultiplikator = Unternehmenswert
200.000 Euro x 6,25 = 1.250.000 Euro
Welche Vor- und Nachteile bietet das Multiplikatorverfahren für Startups und Investoren?
Das Multiplikatorverfahren ist als marktorientierte Methode eng an die Praxis gebunden. Grundlagen sind reale Vorgänge, Transaktionen und Zahlen. Investoren können sich damit einen guten realen Einblick verschaffen.
Für ein Startup selbst überzeugt die Multiplikatormethode unter anderem mit ihrer einfachen Anwendung, großer Variabilität bei den Multiples und der leicht verständlichen Anschaulichkeit. Deshalb verstehen auch Gründer und Startups mit weniger geschäftlicher Erfahrung in diesem Bereich das Multiplikatorverfahren und seine Grundlagen schnell.
In der Bewertungspraxis sind diese Vorzüge beim Multiplikatorverfahren auch maßgeblich dafür, dass die Methode häufig eingesetzt wird. Dabei geht es nicht nur um die reine Unternehmensbewertung wie etwa bei einer Startup- Bewertung.
Vielmehr kann das Multiplikatorverfahren auch zur Einschätzung der Wettbewerbsfähigkeit von Startups und Unternehmen allgemein, zur Prognose über bestimmte in naher Zukunft zu erwartende Entwicklungen in einem
Unternehmen und zur Plausibilitätsprüfung bereits auf anderem Wege ermittelter Unternehmenswerte herangezogen werden.
Grenzen findet die Multiplikatormethode häufig dort, wo es für bestimmte Unternehmen kaum Vergleichsdaten gibt. Es ist ein Nachteil dieses Verfahrens, dass es auf Unternehmen einer gewissen Größe abzielt. Bei Kleinunternehmen etwa können Daten zu Transaktionen und üblichen Kenngrößen sehr schwer ermittelbar sein.
Seiner Anlage nach ist das Multiplikatorverfahren ähnlich wie die Venture Capital-Methode eher auf die Unternehmensbewertung in der Seed- und echten Startup-Phase zugeschnitten. Geht ein Startup bereits in die Wachstumsphase über, können andere Bewertungsverfahren wie etwa das Discounted Cash-Flow Verfahren oder das Ertragswertverfahren oft genauere Ergebnisse liefern.
Fazit: Unternehmensbewertung mit einigen Möglichkeiten
Startups und deren Investoren profitieren in den klassischen Anfangsphasen eines Unternehmens von der Einfachheit der Multiplikatormethode in der Startup-Bewertung. Hier sind auch unerfahrene Gründer mit den Investoren schnell auf Augenhöhe beim Thema Unternehmensbewertung.
Gerade auch in der Prognosestellung gibt das Multiplikatorverfahren einen überzeugenden Kompass für eine Investitionsentscheidung her. Das gilt besonders dann, wenn es schnell gehen soll mit der Bewertung und dem finanziellen Zufluss von Mitteln.
Je weiter die Unternehmensentwicklung voranschreitet, desto begrenzter wird das Multiplikatorverfahren in seiner Aussagekraft. Hier reicht dann eine erste grobe Einschätzung nicht mehr aus. Man würde jetzt mit anderen Bewertungsmethoden noch mehr in die Tiefe und ins Detail gehen wollen.
In diesem Sinne: Happy Valuation!